Veneficium Secundum
14,99 € *
inkl. MwSt. versandkostenfrei
Sofort versandfertig, Lieferzeit ca. 1-3 Werktage
- Artikel-Nr.: 978-945175125
- Leseprobe: Schwungvoll begann sie nun die Fensterbehänge im Thronsaal zur Seite zu ziehen. Noch immer ärgerlich über ihren erschreckend und unerwartet störrischen Wahlbruder, rupfte sie an dem schweren Stoff. Und jetzt hatte er sich auch noch unsichtbar gemacht und sich darüber hinaus noch nicht einmal dazu herabgelassen mit ihnen den selben Tisch zu teilen, dachte sie mürrisch. ... „Wo ist der bösartige und über die Maßen jähzornige Herrscher über dieses Haus?“ Sie bekam keine Antwort. Dieser, dieser... Mia konnte sich nicht entscheiden, mit welchen Schimpfworten sie Taron bedenken sollte. „Habe ich tatsächlich irgendwann einmal behauptet, du seist ‚nett‘?“ Sie schimpfte vor sich hin. „Dieser...“ Sie öffnete den ersten Vorhang, den zweiten und den dritten in der Nähe des Thronsessels. ... Sie haderte immer noch, als sie sich wieder dem Fenster zuwandte. Wo steckte Taron nur? Sie hatte große Lust dazu, sich ausgiebig mit ihm zu streiten. Aber vorher sollte an diesem Tag endlich ein wenig Sonnenlicht in diesen Saal gelangen. Dieser... Mia schrak zusammen, als sie den Blick wieder nach vorne richtete auf das Fenster, vor dem sie gerade in einem temperamentvollen Ruck den Stoff zurückgezogen hatte. Und sie konnte nicht glauben, was sie sah. Sie hatte Taron doch tatsächlich gefunden. Er hatte verborgen mit offenen Augen und vor sich hinstarrend hinter dem Vorhang am Fenstersims gestanden. Und er stand da... Mia betrachtete ihn ungläubig von oben nach unten und wieder zurück. Er stand da in einem gewöhnungsbedürftigen Blümchenflor aus vertrockneten Orchideenblüten um Stirn, Hals und Gelenke und in einer Art – Mia überlegte, wie sie das, was sie sah nennen sollte – Bastrock. So stand Taron, wie er geschaffen war, mitten im durchaus kühlen Spätherbst in einem ungeheizten Thronsaal am Fenster. In einem Bastschurz. Der knielange farbenfrohe Aufzug saß sehr knapp auf seinen Hüften. ... Mia sah sich verwirrt um. Oh, nein! Denn gerade in diesem unpassendsten aller Augenblicke begann sich die Türklinke nach unten zu bewegen. Es kam jemand. Natürlich, fiel Mia ein. Heute war die Audienz. Es klopfte artig an der Tür. „Taron!“, schrie sie unhöflich und stubste ihn an. Er rührte sich nicht. Mia sah ungläubig in seine Augen, die reglos aus dem Fenster zu blicken schienen. Wenn sie richtig interpretiert hatte, meinte sie darin eben noch ein minimales Zucken erkannt zu haben. ... Dann war er starr wie ein Standbild.
Zuletzt angesehen